Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Präsidentin von der Leyen und Ministerpräsident Schmyhal anlässlich der internationalen Expertenkonferenz zum Wiederaufbau der Ukraine am 25. Oktober 2022 in Berlin

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzler Scholz, Präsidentin von der Leyen und Ministerpräsident Schmyhal anlässlich der internationalen Expertenkonferenz zum Wiederaufbau der Ukraine am 25. Oktober 2022 in Berlin

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 25. Oktober 2022

BK Scholz: Meine Damen und Herren, auch von mir ein herzliches Willkommen hier in Berlin!

Deutschland, Europa, die internationale Gemeinschaft - alle zusammen stehen eng an der Seite der Ukraine. Das haben wir vor gut acht Monaten bekundet, am 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine überfallen hat - und das gilt, lieber Ministerpräsident Schmyhal, nach wie vor.

Weil wir uns für das Schicksal der Ukraine verantwortlich fühlen, treffen wir uns heute hier im Berliner Westhafen zu dieser Konferenz. Gemeinsam mit Frau von der Leyen, der EU-Kommissionspräsidentin, habe ich als Präsident der G7-Staaten hierher eingeladen, um den Wiederaufbau der Ukraine in den Blick zu nehmen. Das mag seltsam anmuten an Tagen, in denen uns neue, schreckliche Bilder aus der Ukraine erreichen, in denen Kamikaze-Drohnen auf das Land niedergehen und wichtige zivile Infrastruktur zerstören, in denen das russische Militär seinen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukrainerinnen und Ukrainer mit unverminderter Härte und Gnadenlosigkeit führt.

Die Zerstörung ist unermesslich. Das Leid im Land ist groß. Schätzungen über das Ausmaß der Schäden schwanken stark; sie liegen wohl schon jetzt bei vielen 100 Milliarden Euro.

Mittelfristig wird es aber um Wiederaufbau gehen. Die zerstörten Häuser und Straßen müssen wieder hergerichtet, Industriebetriebe repariert werden. Das ist eine Aufgabe für Generationen, und deshalb will sie auch klug vorbereitet und erdacht sein. Es geht um nicht weniger als einen Marshallplan für die Ukraine, wie ich es gemeinsam mit Frau von der Leyen formuliert habe. Ich bin mit Dir, liebe Ursula, einig: Diese Konferenz ist ein starkes Zeichen unserer unerschütterlichen Unterstützung der Ukraine.

Unser gemeinsames Ziel ist es, unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde auf ihrem Weg zu einer friedlichen und demokratischen Zukunft in Wohlstand zu unterstützen, tatkräftig und verlässlich - und diese Zukunft liegt in Europa.

Präsident Selensky hat in seiner Keynote gerade noch einmal zur aktuellen Lage gesprochen. Ministerpräsident Schmyhal erläuterte auf dem Podium zudem den Wiederaufbauplan für die Ukraine. Ich möchte beiden für ihre eindrücklichen Beiträge zur Eröffnung der Konferenz danken. Nun wollen wir mit Expertinnen und Experten und mit der Ukraine besprechen, wie wir gemeinsam den Weg für den Wiederaufbau der Ukraine ebnen.

Die aktuelle Situation im Land ist äußerst herausfordernd. Aber die Ukraine ist in diesem Krieg nicht allein. Die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft ist sicher. Das haben die Beiträge aller hier vertretenen internationalen Organisationen unterstrichen und werden es noch tun.

Die breite internationale Unterstützung für den Wiederaufbau der Ukraine wird auch durch die Teilnahme unserer Partner aus G7 und G20, den EU-Mitgliedstaaten und weiterer Länder sowie von internationalen Organisationen und Finanzinstitutionen deutlich. Die Botschaft, die von der heutigen Konferenz ausgeht, ist klar: Wir stehen als globale Gemeinschaft heute zusammen, und wir werden das auch künftig tun.

Die Planungen für den Wiederaufbau der Ukraine haben schon begonnen. Die Ukraine hat für den Wiederaufbau einen Plan vorgelegt, der sich seit dem Treffen in Lugano weiterentwickelt hat und wichtiger Anknüpfungspunkt der Gespräche ist. Es war von Anfang an ein wichtiges Anliegen, bei der heutigen Konferenz versierte Expertinnen und Experten zusammenzubringen, um Einblicke und Fachwissen zur Bewältigung dieser Herausforderung zu gewinnen.

Die Empfehlungen, die heute erarbeitet werden, werden wir in die laufenden Gespräche und Verhandlungen aufnehmen und bei den Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine berücksichtigen. Wenn wir zum Beispiel darüber sprechen, Mittel für die Finanzierung des Wiederaufbaus zu mobilisieren, dann erfordert das in meinen Augen eine nachhaltige und koordinierte Anstrengung mit starker lokaler Eigenverantwortung und Beteiligung der Ukraine.

Gleichzeitig sind der öffentliche und der private Sektor aller internationalen Partner gefragt. Und eines ist klar: Ohne die internationalen Finanzinstitutionen und Entwicklungsbanken wird es nicht gehen.

Für mich ist es daher wichtig, dass wir über die Organisation und die Architektur des Wiederaufbaus der Ukraine sprechen, um eine gute Grundlage für diese langfristige gemeinsame Aufgabe der internationalen Gemeinschaft zu schaffen.

Wir wollen mit unseren Partnern in der G7, der EU und darüber hinaus mit Unterstützung der internationalen Organisationen gemeinsam mit der Ukraine die Grundlagen für eine inklusive und transparente Geberplattform schaffen. Über diese gemeinsame Plattform soll der Wiederaufbauprozess auch koordiniert werden. Es wäre das zentrale Instrument für Zusammenarbeit und Steuerung der europäischen und internationalen Unterstützung. Das muss gut koordiniert werden, und alle wichtigen Partner müssen an Bord sein. Wir schaffen damit nicht zuletzt auch die Voraussetzung, dass die Wirtschaft wieder durchstarten kann, die Einnahmen wieder fließen und die Bürgerinnen und Bürger ihrem täglichen Leben vor Ort nachgehen können.

Auf der Konferenz werden wir heute primär über die langfristige Aufgabe zur Finanzierung der Unterstützung für die Ukraine sprechen. Das alles unterstreicht: Wir stehen heute und in Zukunft fest an der Seite der Ukraine. Indem wir die Ukraine unterstützen, bauen wir an einem gemeinsamen starken Europa.

Mein Appell an Putin bleibt: Stoppen Sie diesen Krieg! Beenden Sie dieses sinnlose Sterben! Ziehen Sie Ihre Truppen zurück!

P von der Leyen: Vielen Dank. Guten Morgen! Dies ist eine ausgesprochen interessante Konferenz. Vielen Dank noch einmal, Herr Bundeskanzler, dass wir das gemeinsam organisieren können. Es ist mir eine Freude, Dich, Denys, hier zu haben.

Es ist für uns sehr wichtig, dass wir strukturiert an den Wiederaufbau der Ukraine herangehen. Deshalb ist diese Konferenz so wichtig, um die beste Expertise, die es weltweit überhaupt für den Wiederaufbau einer solchen Größenordnung gibt - das ist eine kolossale Aufgabe -, hier zu versammeln und auch von ihnen zu lernen.

Mich hat sehr gefreut, dass wir auf dieser Konferenz große Übereinstimmung feststellen können, vor allen Dingen für die drei dominanten Themen:

Erstens ist das Hier und Jetzt wichtig, um die Ukraine zu unterstützen. Vor allen Dingen gibt es hier die große Übereinstimmung, dass die Ukraine jetzt regelmäßige finanzielle Unterstützung braucht, um die Basis zu finanzieren, damit zum Beispiel Gehälter für Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte, Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten gezahlt werden können genauso wie die Renten, die bezahlt werden müssen - also das absolute Minimum.

Das ist aber nötig. Deshalb werden wir auch innerhalb des Kreises der Europäischen Union diskutieren, wie wir unseren fairen Beitrag dazu leisten können. Ich weiß, Herr Premierminister, lieber Denys, dass für Euch sehr wichtig ist, dass von Januar an ein zuverlässiger, stabiler Finanzzuschuss möglich ist, damit sich die Ukraine in diesen Kriegstagen darauf verlassen kann, die finanziellen Belastungen des Alltags stemmen zu können.

Zweitens. Selbstverständlich sind sich auch alle auf dieser Konferenz darüber im Klaren, dass der Wiederaufbau nicht erst nach dem Ende dieses grauenhaften Krieges beginnen kann, sondern dass jetzt schon Teile des Wiederaufbaus beginnen müssen - wir nennen das Rehabilitation -, weil wir sehen, dass Präsident Putin gezielt zivile Infrastruktur angreift, um die Ukraine zu lähmen, um die Menschen in der Ukraine zu terrorisieren. Wir werden das nicht geschehen lassen. Deshalb ist der Blick auch darauf gerichtet, wie man jetzt sofort reparieren kann, zum Beispiel Schulen. Viele Schulen sind so zerstört, dass die Schulkinder zu entfernteren Orten gebracht werden müssen. Deshalb liefern wir zum Beispiel Schulbusse, ganz pragmatische Dinge.

Die Ukraine braucht unsere Unterstützung bei der Finanzierung der Energieinfrastruktur, die gezielt von Russland bombardiert wird, aber auch Unterstützung für den Winter, damit zum Beispiel Unterkunftsmöglichkeiten für Menschen ermöglicht werden, die ihr Hab und Gut, die das Dach über den Kopf verloren haben.

Die dritte große Aufgabe ist dann in der Tat der Wiederaufbau. Die Konferenz hier heute soll vor allen Dingen den Blick darauf werfen: Welche Struktur ist die beste, um so viel wie möglich in diese Plattform zu holen? Wie muss die Organisation der Plattform sein, damit Verlässlichkeit und Berechenbarkeit da sind, dass die Finanzmittel gut und richtig verwendet werden?

Dann geht es natürlich darum: Welcher Schritt wird zuerst gegangen? Wo ist der erste Schritt notwendig, um dann, darauf aufbauend, den weiteren Wiederaufbau zu stemmen?

Die große Übereinstimmung ist insofern erfreulich. Denn wir brauchen in der Tat eine Antwort. Das ist eine kolossale Aufgabe. Es ist die richtige Herangehensweise, alle einzuladen, die die Freunde der Ukraine sind. Denn wir alle wissen, dass die tapferen Menschen in der Ukraine nicht nur für die Freiheit, Unabhängigkeit und Integrität ihres eigenen Landes kämpfen, sondern auch für unsere Werte kämpfen. Sie kämpfen dafür, dass die internationalen Regeln eingehalten werden. Sie kämpfen dafür, dass die UN-Charta respektiert wird. Sie kämpfen deshalb einen Kampf für uns alle, und deshalb ist es das Mindeste, dass wir an ihrer Seite stehen und sie, solange es nötig ist, unterstützen.

MP Schmyhal: Exzellenzen, Herr Bundeskanzler, Frau Präsidentin der Europäischen Kommission, meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen dafür, dass Sie diese Konferenz heute ausrichten. Ich danke Ihnen für diese sehr ergebnisreichen Verhandlungen, und ich danke Ihnen für Ihre unerschütterliche, deutliche und wortgewaltige Unterstützung meines Landes.

Zunächst möchte ich der Bundesrepublik sehr herzlich dafür danken, dass sie uns militärisch unterstützt hat, dass sie die Sanktionen unterstützt hat und uns finanziell unterstützt. Deutschland ist der zweitgrößte Geber, wenn es darum geht, Zuschüsse und Kredite für die Ukraine bereitzustellen. Wir sind dafür sehr dankbar. Ich danke Ihnen auch persönlich dafür, Herr Bundeskanzler, lieber Olaf.

Ich habe dem Bundeskanzler außerdem gesagt, dass die deutschen Waffen ausgezeichnet auf dem Schlachtfeld funktionieren. Das ist das beste System, das die ukrainischen Soldaten auf dem Schlachtfeld einsetzen. Es schützt unser Leben, es schützt unsere Infrastruktur. Die importierten Waffen funktionieren exzellent.

Neun von zehn Raketen haben ihre Ziele erreicht. Es funktioniert also wunderbar. Wir nutzen auch den Gepard, Mars II und weitere Waffensysteme und deutsche Munition.

Noch einmal: Herzlichen Dank. Ich danke Ihnen auch für die finanzielle Unterstützung, vor allem aber auch - wie gesagt - für die Ausrichtung dieser Konferenz als eine Plattform für eine Diskussion der Experten und Sachverständigen, der Wissenschaftler und Akademiker darüber, wie der Prozess des Wiederaufbaus heute eingeleitet werden kann. Hier muss definiert werden, wo die Quellen erschlossen werden können, wie verschiedene Quellen für die Finanzierung des zukünftigen Wiederaufbaus genutzt werden können. Dies ist also nur der Ausgangspunkt, der Anfang eines Prozesses. Ich hoffe, dass wir weitere Treffen ausrichten und abhalten können.

Ich möchte nun kurz noch etwas über die Europäische Kommission sagen und auch über das persönliche Engagement der Präsidentin der Europäischen Kommission. Liebe Ursula, ich danke Dir für die großartige Unterstützung meines Landes, der Ukraine. Ich will diese drei großen Punkte nicht noch einmal wiederholen. Denn der Präsident der Ukraine hat bereits gesagt: Wir sind uns hier einig. Wir hätten eigentlich unsere Redeentwürfe und Manuskripte austauschen können, die wir für die heutige Pressekonferenz vorbereitet haben.

Noch einmal vielen Dank für die Unterstützung auf verschiedenen Ebenen, in verschiedenen Stufen dieses Prozesses. Wir müssen alle an diesem Prozess des Wiederaufbaus beteiligt sein. Denn auch die europäischen Länder leiden unter diesem russischen Angriffskrieg, weil Russland ja hybride Angriffsmethoden einsetzt. Deshalb sollten wir alle geschlossen sein und uns stark machen für die Verteidigung der demokratischen Prinzipien, der Freiheit der Ukraine. Wir sollten geschlossen agieren, wenn es um den Wiederaufbau der Ukraine geht. Das ist das größte Projekt europäischen Ausmaßes.

Wir sollten jetzt damit beginnen. Das habe ich auch eingangs in meiner Rede auf der Konferenz gesagt. Es geht darum, nicht zu erfrieren. Es geht darum, die zerstörten Gebäude und die zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen und gleichzeitig das Land zu modernisieren. Es geht nicht nur darum, es zu rehabilitieren, sondern auch etwas aufzubauen, was besser als das ist, was vorher da war, also eine Modernisierung auf der Grundlage der Regeln und Standards Europas durchzuführen. Denn wir sehen uns als Teil Europas, als Kandidatenland für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union, und wir möchten irgendwann ein vollwertiges Mitglied der Europäischen Union sein. Das ist unser Ziel.

Ganz herzlichen Dank dafür, dass Sie diese Konferenz mit ausrichten und sich persönlich so engagieren. Wir werden, so glaube ich, fortfahren. Wir haben ja bereits erste Absprachen mit dem IWF und der Europäischen Union im Hinblick auf eine finanzielle Koordinierungsplattform. Diese Idee habe ich ja heute vorgestellt. Sie sollte spätestens Ende des Jahres auf der Grundlage des Formats von Ramstein ins Leben gerufen werden. Ramstein hat sich natürlich mit der militärischen Koordinierung befasst. So etwas Ähnliches sollten wir vielleicht jetzt zum Thema Finanzen einrichten. Ich hoffe, dass wir dann in der Lage sind, die notwendigen Antworten auf die Fragen zu finden: Welche Quellen können wir erschließen? Wie können wir gegen Risiken in der Ukraine versichern? Welches sollten unsere Prioritäten sein? Wer beteiligt sich an der Finanzierung? Was ist wichtig? Und so weiter und sofort. - Ich bin da zuversichtlich. Das wird funktionieren.

Wenn ich noch kurz auf die gestrige Unternehmerkonferenz, auch zum Thema Unterstützung der Ukraine, verweisen darf - der Bundeskanzler war freundlicherweise auch anwesend und hat zu uns gesprochen: Viele deutsche Unternehmer und Unternehmerinnen waren dort und haben ihr Interesse an Investitionen in der Ukraine bekundet. Auch dafür möchte ich danken. Mein Dank geht an die deutschen Unternehmer und Unternehmerinnen. Ich danke ihnen dafür, dass sie auch weiterhin in der Ukraine aktiv bleiben, Steuern für die Ukraine in der Ukraine zahlen.

Ich möchte gleichzeitig auch den deutschen und europäischen Unternehmern und Unternehmerinnen danken, die an den Markt denken. Bitte zahlen Sie keine Gelder in den blutigen Haushalt des russischen Staates zur Finanzierung dieses grausamen Krieges!

Für uns ist die gestrige Konferenz sehr wichtig gewesen und das, was heute passiert. Die Konferenz wird heute noch in verschiedenen Panels zusammenfinden. Das wird sicherlich eine gute Grundlage für den zukünftigen Wiederaufschwung und Wiederaufbau leisten. Dabei möchte ich es auch belassen und Ihnen allen noch einmal sehr herzlich danken.

Frage: Herr Bundeskanzler, bei der Konferenz heute geht es um den Wiederaufbau. Es gibt aber auch eine Diskussion darüber, wie man sich einer Friedenslösung annähern kann. Aus Ihrer Partei kommt die Forderung, dass die diplomatischen Bemühungen verstärkt werden sollten. Sehen Sie das auch so? Oder teilen Sie die Haltung der Ukraine, dass erst alle Gebiete zurückerobert werden müssen, bevor man mit Russland sprechen kann?

Frau Präsidentin von der Leyen, an Sie die Frage: Sie haben sich stabile Finanzzusagen der EU gewünscht. Welche Größenordnung schwebt Ihnen da vor?

Herr Ministerpräsident Schmyhal, Sie haben die deutschen Waffenlieferungen gelobt. Bleiben Sie trotzdem bei Ihrer Forderung nach deutschen Kampfpanzern?

BK Scholz: Schönen Dank für die vielen Fragen. Ganz konkret will ich darauf hinweisen, dass wir hier eine Konferenz organisiert haben, die darum dreht, wie wir langfristig den Wiederaufbau der Ukraine finanzieren können.

Ich habe ganz bewusst John Maynard Keynes in meiner Rede vorhin zitiert, weil das für mich die zentrale Botschaft ist. Wir können uns nicht darauf beschränken - wie bei den verschiedenen Konferenzen, die vorher stattgefunden haben und auch später noch stattfinden werden -, konkret zu beschreiben, wofür Geld ausgegeben werden muss. Wir müssen einen Weg finden, wie wir über viele Jahre und ehrlicherweise über viele Jahrzehnte die gesamte Weltgemeinschaft dazu bewegen können, dass sie diese Finanzierung mit organisiert und wie man das technisch organisieren kann. Das ist der Kern dieser Konferenz, und ich bin sehr dankbar dafür, dass auch viele Experten und Expertinnen hier mitdiskutieren, um uns das notwendige Wissen zu verschaffen. Wir sind sehr gewillt, auch unseren Beitrag dazu zu leisten, dass das für die Zukunft tatsächlich gelingt. Denn meine Sorge wäre, dass es, wenn der Krieg doch hoffentlich irgendwann zu Ende geht und die Ukraine ihre Integrität und Souveränität verteidigt hat und als demokratischer Staat auch die Perspektive der Europäischen Union verfolgt und dort Mitglied wird, irgendwann passieren könnte, dass sich die Weltgemeinschaft anderen Themen zuwendet. Aber die Aufgabe besteht für Jahrzehnte. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt anfangen, Strukturen etablieren und auch in diesem Jahr schon die ersten Grundsteine dafür legen, die das möglich machen können.

Was die Frage der Diplomatie betrifft, ist, denke ich, mit dem Statement, das die G7 zu diesem Thema gemacht haben, übrigens auch besprochen mit der ukrainischen Regierung, alles gesagt. Wir haben darin die Bereitschaft des ukrainischen Präsidenten, sich für einen gerechten Frieden einzusetzen und Raum für Diplomatie zu schaffen, sehr begrüßt, aber auch beschrieben, worum es geht, nämlich um Integrität und Souveränität des Landes und darum, dass nicht der Nachbar Russland sich mit Gewalt einen Teil des Territoriums aneignen und einen Diktatfrieden diktieren kann. Darüber sind sich übrigens in Deutschland alle relevanten politischen Kräfte und vor allem alle, die die deutsche Regierung tragen und die Mehrheit im Bundestag für die Regierung darstellen, einig. Insofern verbindet das uns alle miteinander.

P von der Leyen: Zum Thema stabiler Finanzzusagen: Wir haben in den Monaten des Krieges gesehen, dass die systematische Bombardierung der Infrastruktur in der Ukraine, aber zum Beispiel auch der gesamten Produktion in der Ukraine dazu geführt hat, dass es für die Ukraine immer schwerer wird, ihre eigenen Budgeteinnahmen zu sichern. Deshalb ist im Laufe der Monate die Hilfe und finanzielle Unterstützung für das Budget, schlicht und einfach den Haushalt, für das finanzielle Überleben der Ukraine gestiegen. Wir als Europäische Union, „team europe“, haben seit Beginn des Krieges insgesamt 19 Milliarden an finanziellen Zuwendungen für die Ukraine investiert. Davon sind sieben Milliarden reine Budgethilfe.

Aber das ist immer mit mühsamen Prozessen, Aushandlungen, Verzögerungen verbunden. Da uns allen klar ist - darüber besteht auch bei allen Expertinnen und Experten und auch bei unseren Freunden zum Beispiel aus der G7 Einigkeit -, dass die Ukraine jetzt regelmäßige, verlässliche Budgetzuwendungen braucht, plädieren wir dafür, dass wir dafür einen Mechanismus aufsetzen, der auf beiden Seiten verlässlich ist.

Die Ukraine braucht etwa drei bis fünf Milliarden pro Monat. Warum die Spanne? - Die Spanne resultiert vor allen Dingen daraus, dass wir nicht genau wissen, wie viel selbst zu produzieren, zu exportieren, zum Beispiel über die Vorzugslinien, die wir mit der Ukraine geschaffen haben, und damit eigenes Einkommen zu generieren der Ukraine gelingt.

Was heißt das für die Europäische Union? - Etwa ein Drittel sollten wir finanzieren. Das sind anderthalb Milliarden pro Monat, solange der Krieg dauert. Das wären als Gesamtsumme über das Jahr 18 Milliarden. Das heißt, dass wir mit unseren Mitgliedsstaaten darüber sprechen, dass wir gemeinsam einen Mechanismus über 18 Milliarden für 2023 als direkte Budgethilfe für die Ukraine vereinbaren und sicherstellen können, immer, wie gesagt, vorbehaltlich, solange der Krieg dauert.

Wir wissen, dass wir uns komplementär auch auf unsere amerikanischen Freunde verlassen können. Wir rechnen damit, dass natürlich auch die internationalen Finanzierungsinstitutionen ihren Teil, in etwa ein Drittel, übernehmen werden.

MP Schmyhal: Wie die Kommissionspräsidentin und auch der Bundeskanzler angemerkt haben, brauchen wir zusätzliche Finanzen. Sie haben die Zahlen genannt. Wir erledigen unsere Hausaufgaben. Wir senken unser Haushaltsdefizit dieses Jahr. Wir schränken die Ausgaben in unserem Budget, in unserem Haushalt ein. Wir brauchen noch etwa drei bis vier Milliarden pro Monat, um dieses Kriegsbudget, diesen Kriegshaushalt zu finanzieren. Wie Präsident Selensky während dieser Konferenz gesagt hat, haben wir ein Haushaltsdefizit in Höhe von 38 Milliarden für 2023. Leider haben wir im Laufe dieses Jahres etwa 45 Prozent unseres BIPs verloren. Wenn Russland weiterhin die terroristische Strategie verfolgt und unsere Infrastruktur zerstört - - - Sie sehen das alles ja, und Sie verstehen das auch.

Wir haben also Zusagen und auch die Hoffnung, dass die Europäische Kommission und das Europäische Parlament diese Entscheidung unterstützen und etwa 18 Milliarden Euro für das kommende Jahr zahlen werden, sodass wir monatlich Unterstützung erhalten, um unser Haushaltsdefizit zu schließen. Wir hoffen, dass auch die USA die gleiche Menge zahlen. Wir arbeiten auch mit dem IWF zusammen und haben mit ihm ganz erfolgreiche Verhandlungen. Frau Kristalina Georgiewa wird hier bei dieser Konferenz sein. Wir haben also die Hoffnung, dass wir monatliche Budgethilfe erhalten.

Wir brauchen noch 17 Milliarden für die schnelle wirtschaftliche Erholung. Wir brauchen dieses Geld, um uns schnell wiederaufzubauen, Geld, das uns vor dem hereinbrechenden Winter retten wird. Wir brauchen dieses Geld, um auch Flüchtlingsströme zu verhindern, um dafür zu sorgen, dass die Menschen es warm haben.

In Bezug auf die Waffen haben wir ganz gute Unterstützung und Beziehungen, was die Lieferung von Waffen betrifft, aber auch die Ausbildung durch Soldaten. Die Kommission unterstützt uns; Deutschland unterstützt uns. Wir brauchen noch mehr Waffen. Wir brauchen mehr Munition, um diesen Krieg gewinnen zu können. Wir wären sehr dankbar, wenn wir von all unseren Partnern zusätzliche Waffenlieferungen und zusätzliche Munition bekommen könnten. Wir brauchen mehr gepanzerte Fahrzeuge, Artillerieeinheiten, Haubitzen. Das ist das Ziel unserer Verhandlungen im Ramsteinformat. Ich denke und hoffe, dass wir alle gemeinsam diesen Krieg gewinnen werden. Vielen Dank für Ihre Frage.

Frage: Meine Frage geht an alle. Wann wird in der Europäischen Union der Mechanismus der Konfiszierung russischer Assets im europäischen Raum arbeiten, damit diese eingefrorenen Aktiva für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden können? Die Europäische Kommission ist dabei, diese Gesetzgebung auszuarbeiten. Zu wann können wir das erwarten? Welche Instrumente können das sein?

Die deutsche Position in dieser Frage ist sehr interessant. Was erwartet russische Aktiva in Deutschland, in Berlin?

Premierminister Schmyhal, wie wichtig ist dieses Thema für die Ukraine selbst?

P von der Leyen: Vielleicht darf ich kurz auf diese Frage antworten. Wir wollen diese Vermögenswerte nicht nur einfrieren, sondern auch konfiszieren. Das ist nicht trivial, was die Gesetzgebung betrifft. Das haben Sie richtigerweise gesagt. Wir arbeiten daran. Wir haben eine Taskforce zusammen mit Mitgliedsstaaten. Diese Taskforce heißt „Freeze and Seize“, also Konfiszieren und Einfrieren. Es geht darum, nicht nur aufzuzeigen, was eingefroren wurde, sondern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, in der Lage zu sein, diese Vermögenswerte auch für den Wiederaufbau der Ukraine nutzen zu können.

Meine Antwort ist also etwas gemischt. Der Wille ist da, aber rechtlich gesehen ist es nicht trivial. Es bleibt noch sehr viel Arbeit zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. Man muss sich immer bewusst sein, dass wir auf der Rechtsstaatlichkeit insistieren. Wir verfolgen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Deshalb muss dieser Prozess natürlich rechtlich abgesichert sein.

BK Scholz: (auf Englisch) Herzlichen Dank für Ihre Frage. Um ganz klar zu sein: Es ist eine sehr schwierige rechtliche Frage. Viel Arbeit ist erforderlich. Wir müssen uns die Frage anschauen, was möglich und was nicht möglich ist, wenn man sich an rechtsstaatliche Prinzipien hält. Wir müssen uns dieses Problem also erst einmal genauer anschauen und sehen, wie wir handeln und was wir tun können. Aber wir stehen am Anfang einer beispiellosen Maßnahme. Die Antwort erwarte ich nicht ganz so bald. Es gibt gute Gründe dafür. Auf internationaler Ebene stellen sich ähnliche Fragen.

Aber das ist einer der Gründe dafür, warum diese Konferenz so wichtig ist. Wir müssen Verantwortung übernehmen. Alle Länder der internationalen Gemeinschaft müssen Verantwortung übernehmen, alle, die die Ukraine unterstützen. Wir müssen Solidarität in Form von finanzieller und humanitärer Hilfe organisieren. Aber wir müssen auch über die Unterstützung in Form von Waffen nachdenken. Wir müssen verstehen, dass die wirtschaftliche Erholung, der Wiederaufbau, eine Aufgabe ist, die Konsequenzen für uns alle hat. Das wird Jahrzehnte dauern. Das ist so wichtig, wie ich in meiner Rede bereits gesagt habe, aber auch in meinen einführenden Worten, in meiner Antwort auf die erste Frage. Es wird wichtig sein, dass sich die Ukraine auch noch in fünfzehn Jahren auf finanzielle Strukturen verlassen kann, die den Wiederaufbau unterstützen werden. Ein Verständnis dafür zu entwickeln, das ist der Grund dafür, dass wir bei dieser Konferenz sind. Deshalb widmen wir uns diesen wichtigen Fragen.

MP Schmyhal: Die Frage der eingefrorenen Vermögenswerte und ihrer Benutzung ist eine sehr wichtige Frage. Es geht um 300 Milliarden bis 500 Milliarden Dollar. Das kann die Hauptquelle dafür werden, den ukrainischen Wiederaufbau zu finanzieren. Wir stellen diese Frage in Gesprächen mit unseren Partnern immer wieder. Das hat jeder in unseren Gesprächen mit dem Herrn Bundeskanzler und mit der Europäischen Kommission schon gehört. Das haben meine Kollegen heute schon erwähnt. In der Ukraine gibt es auch eine Arbeitsgruppe, die das bearbeitet. Kanada hat es als erstes Land in seiner nationalen Gesetzgebung verankert. Wir haben auch mit dem polnischen Premierminister sehr erfolgreich darüber gesprochen. Sie sind bereit, ein solches nationales Gesetz zur Konfiszierung der russischen Vermögenswerte zu initiieren. Es ist nicht genug, sie einzufrieren, sondern man muss sie auch benutzen, wie Frau von der Leyen schon gesagt hat.

Diese Frage bedarf einer juristischen Lösung auf nationaler und internationaler Ebene. Das wird ein Hauptaugenmerk des Ramsteintreffens der Finanzminister, das wir vorschlagen, der regelmäßigen Treffen im Rahmen der G7, der Europäischen Union sein. Der Internationale Währungsfonds ist bereit, dabei koordinierend aufzutreten. Es geht um eine Absicherung militärischer Risiken, um eine Finanzierung durch private und staatliche Quellen. Es wird ein sehr wichtiger Moment in dieser finanziellen Plattform sein. Über diese Plattform sprachen wir heute auch.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben betont, dass der Wiederaufbau der Ukraine eine Generationenaufgabe, eine sehr langfristige Aufgabe ist. Aber wie schnell müssen jetzt die Strukturen geschaffen werden? Wann wird es diese Plattform, von der Sie sprechen, geben?

Ist die Tatsache, dass Sie zusammen mit der Kommissionspräsidenten diese Konferenz ausrichten, auch ein Signal dafür, dass Deutschland langfristig eine Führungsaufgabe in dieser Struktur anstrebt?

Was ist eigentlich Ihre Vision für diese Aufgabe? Wird es sich um Kredite handeln? Wird es sich um Zuschüsse handeln? Wie soll das also finanziell organisiert werden?

Frau Kommissionspräsidentin, sieht sich die EU, nachdem die Ukraine EU-Beitrittskandidat ist, in einer Führungsrolle bei dieser Plattform? Sehen Sie das bei sich angesiedelt?

Herr Premierminister, würden Sie sich aus ukrainischer Perspektive eine europäische oder eine amerikanische Führung für so eine Plattform wünschen? Was wäre aus ukrainischer Sicht das Beste?

Sie haben auch über Ramstein gesprochen. Verstehe ich Sie richtig, dass das etwas ist, das getrennt von der Wiederaufbauplattform zu betrachten ist, von der wir hier sprechen?

BK Scholz: Schönen Dank für die Fragen. - Wir haben hier eine Konferenz organisiert, die bewusst gemeinsam von den G7-Staaten, den wirtschaftsstarken Demokratien der Welt, und der Europäischen Union veranstaltet wird. Schon damit ist ein Statement verbunden, dass es nämlich nicht der eine oder die andere macht, sondern dass längerfristig Europa, aber auch die ganze Weltgemeinschaft, die jetzt die Ukraine unterstützt, dabei sein soll. Das bezieht sich nicht nur auf die USA oder unsere Freunde in Kanada und Japan als G7-Partner oder auf das Vereinigte Königreich, sondern das bezieht sich dann eben auch auf Länder wie Südkorea und viele, viele andere, die jetzt aktiv unterstützen und noch mehr. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass es immerhin eine Mehrheit in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gegeben hat, die den russischen Angriffskrieg verurteilt hat. Deshalb sollte es auch ein globaler Ansatz sein.

Auf die internationalen Finanzinstitutionen, die hier versammelt sind und ihre fachlichen Beiträge leisten, ist schon hingewiesen worden. Das wird auch wichtig sein.

Ich bin sehr gewillt, im Rahmen der Präsidentschaft, die ich noch bis zum Jahresende innehabe, die Vorarbeiten dafür zu leisten, dass wir eine Struktur etablieren, die in der Lage ist, diesen Prozess auch längerfristig zu begleiten. Deshalb war mir aber wichtig, dass wir, bevor wir all die Fragen, die Sie stellen, beantworten, eine Expertenkonferenz veranstalten, an deren Ende und in deren späterer Auswertung wir da vielleicht präziser werden können. Was die Form der Unterstützung betrifft, wird es sicherlich eine Mischung aus vielem sein müssen. Aber gerade das zu verstehen, ist mir wichtig. Frau von der Leyen und ich haben das Wort „Marshallplan“ nicht von ungefähr gewählt, weil wir der festen Überzeugung sind: Es muss schon etwas sein, das in diese Richtung geht.

Wir sind im Übrigen auch davon überzeugt, dass wir Erkenntnisse und Einsichten von hochinformierten und sehr erfahrenen Institutionen, von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern brauchen, um ein so großes Projekt wie den Wiederaufbau eines großen Landes, das von seinem Nachbarn mit Gewalt zerstört wird, auch zu stemmen. Die Ukraine ist, was die territoriale Fläche betrifft, das zweitgrößte Land auf dem europäischen Kontinent. Es hat über 40 Millionen Einwohner. Das ist jetzt kein kleines Land, und die Aufgabe ist entsprechend groß.

P von der Leyen: Um auf meine Frage zu antworten: Es braucht alle an Bord. Das ist ganz wichtig. Die Aufgabe ist so gewaltig, dass weder die Europäische Union alleine, geschweige denn ein Land alleine – sei es noch so groß – diese Aufgabe stemmen kann. Deshalb sind auch die ersten Skizzen daraufhin angelegt, in der Tat vor allen Dingen die politische Führung, also die Richtungsgebung, breit anzulegen, damit sich auch alle verpflichtet fühlen, nicht nur die politische Richtung anzugeben, sondern auch finanziell dazu beizutragen.

Die Europäische Union hat aber eine herausragende Erfahrung, wenn es um Beitrittsprozesse geht. Die Ukraine hat entschieden, dass sie Mitglied der Europäischen Union werden möchte. Es ist ihr gelungen, Kandidatenstatus zu erreichen. Auch das ist schon ein Prozess, den wir gemeinsam gemacht haben. Es ist ja nicht so, dass wir bei Null anfangen, sondern die Ukraine hat ein Assoziierungsabkommen mit uns geschlossen; wir sind gemeinsam in der Östlichen Partnerschaft vertreten. Die ersten Male, die wir uns vor dem Krieg gesehen haben, waren Treffen, die typischerweise zwischen der Europäischen Union und der Ukraine mit Blick auf eine engere Zusammenarbeit und Reformprozesse stattgefunden haben.

Die Europäische Kommission leitet die Beitrittsprozesse - nicht nur in Bezug auf die Ukraine, sondern auch in Bezug auf die anderen Beitrittskandidaten. Deshalb wollen wir diese Expertise einbringen. Wir sind der festen Überzeugung, dass es bei den massiven Investitionen, die notwendig sind, im Interesse der Ukraine ist - das besprechen wir auch in regelmäßigen Abständen miteinander -, diese Investitionen sofort auch mit den notwendigen Reformen zu verbinden. Diese Reformen und Investitionen miteinander zu koppeln, ist die beste Möglichkeit, den Weg in die Europäische Union zu ebnen. Deshalb sagen wir als Europäische Kommission, dass wir bereitstehen, Sekretariatsfunktionen zu übernehmen, weil sozusagen dort in diesem Raum diese ganzen Prozesse auch bearbeitet werden, wo wir sicherlich weltweit die größte Expertise haben. Es gibt keine andere Region der Welt, die so viele Länder nach und nach integriert hat, wie wir in der Europäischen Union - mit all den Höhen und Tiefen, mit all den Erfahrungen, welche Reformen notwendig sind, welche strategische Geduld man manchmal auch braucht, um Reformen umzusetzen und wie wichtig dabei auch die Investitionen sind.

MP Schmyhal: Herzlichen Dank! Ich werde da fortfahren. Wir sind der Meinung, dass es ganz im Sinne der Lugano-Konferenz wichtig ist, dass alle an Bord sind. Es ist wichtig, dass die Europäische Kommission bei diesem Prozess des Wiederaufbaus eine führende Rolle einnimmt. Es ist ganz klar unser Ziel, ein Mitglied der Europäischen Union zu werden. Für uns ist es also wichtig, auch die USA als Partner zu haben. Sie unterstützen am meisten, was Finanzen, was Waffen betrifft. Für uns ist es sehr wichtig, dass die Europäischen Union eine führende Rolle, eine koordinierende Rolle spielt. Es ist auch wichtig, dass Deutschland an Bord ist. Deutschland ist der zweitgrößte Geber, was finanzielle Ressourcen angeht, und liefert Waffen.

Alle Länder, die Sanktionen unterstützen, die die Finanzierung der Ukraine unterstützen, sollten an unserem Wiederaufbauprozess teilnehmen. Der Wiederaufbauprozess ist sehr kompliziert. Wie auch der Bundeskanzler bereits erklärt hat, geht es ja nicht nur um ein oder zwei Jahre. Wir sprechen hier von Jahrzehnten. In den ersten Jahren sollten wir eine große Anzahl von Projekten realisieren. Dabei könnte es sich um private Investitionen handeln, aber auch um die Unterstützung der internationalen Organisationen. Vielleicht könnten private Geber spenden. Es könnte sich auch um Kredite oder Zuschüsse von Ländern handeln. Es könnten Gelder der Europäischen Union sein. Für all diese Instrumente brauchen wir einen unterschiedlichen Ansatz, wie wir dieses Geld in den Wiederaufbauprozess investieren.

Ich bezeichne das als größtes Investitionsprojekt auf dem europäischen Kontinent. Viele Unternehmen werden in die Ukraine gehen und an Projekten auf ukrainischem Territorium arbeiten. Wir brauchen die nötige Infrastruktur, Versicherungen, auch eine Infrastruktur für Public-private-Partnerships. Es sind also sehr komplexe Fragen. Ich hoffe und glaube, dass wir während dieser Konferenz und bei den nächsten Treffen der Finanzierungsplattform Antworten haben werden, wie wir diese komplizierte Infrastruktur für den zukünftigen Wiederaufbau der Ukraine aufbauen können. Das ist das, was ich noch dem hinzufügen wollte, was meine lieben Freunde bereits gesagt haben. Es sind ja komplexe Fragen.

Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben heute Morgen gesagt, dass es wichtig ist, dass sich die Öffentlichkeit und auch die Privatsektoren aller Länder beteiligen. Meine Frage an Sie drei lautet wie folgt: Wie überzeugen Sie private Investoren, in ein Land zu gehen, in dem ihre Investitionen Gefahr laufen, von russischen Bomben zerstört zu werden? Gibt es eine Art von Versicherung?

BK Scholz (auf Englisch): Herzlichen Dank für Ihre Frage. - Es ist absolut notwendig, dass wir die europäische Perspektive der Ukraine im Auge behalten. Das ist eine gute Botschaft für diejenigen, die heute investieren wollen. Denn sie investieren in ein Land, das dieser Perspektive folgt und früher oder später Mitglied der Europäischen Union sein wird.

Der zweite Punkt ist: Wir leisten in dieser Situation weiterhin Unterstützung für die Ukraine. Wie ich bereits in meiner Rede gesagt habe, tun wir mit den Waffenlieferungen unser Bestes – das System Iris-T wurde angesprochen; der Flakpanzer Gepard wurde angesprochen –, um die Ukraine zu unterstützen und ihre Infrastruktur zu schützen. Das ist die wichtigste Antwort auf Ihre Frage.

P von der Leyen (auf Englisch): Es gibt aufgrund der großen politischen Bedeutung des Erhalts der Ukraine auch aus dem institutionellen und wirtschaftlichen Sektor eine große Bereitschaft, bei dem zu unterstützen, was geleistet wird. Auffallend ist auch – und das sollte angesprochen werden -, dass bereits sehr viel geschieht. Das ist das, was wir Rehabilitation, Wiederherstellung nennen. Das vollzieht sich bereits jetzt. Schauen Sie sich die Städte an. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen aus den Partnerstädten versuchen ihren Beitrag zu leisten, um bestmöglich zu helfen, damit die Städte auch auf dieser Ebene funktionieren. Da wissen ja Bürgermeister und Bürgermeisterinnen am besten, was notwendig ist.

Ich habe von den Schulbussen gesprochen, die die Kommission bereitstellt. Aber das genügt natürlich nicht. Es ist deshalb wichtig, dass auch auf der regionalen Ebene agiert wird. Es gibt sehr beeindruckende Tätigkeiten seitens der Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft, auch kleinerer Gemeinden, die Partnergemeinden in der Ukraine haben und versuchen, diese nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen. Meine Erfahrung ist also: Die Bereitschaft zu helfen ist überwältigend, auch unter den gegenwärtig sehr schwierigen Umständen und schweren Bedingungen.

MP Schmyhal: Wir legen jetzt das Hauptgewicht auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen, weil wir glauben, dass das Risiko nicht ganz so hoch ist. Kleine und mittelständischen Unternehmen können zwar mit einer Rakete zerstört werden, aber wir wissen natürlich, dass der größte Beitrag zum BIP von großen privaten und staatlichen Investoren geleistet wird. Eine der wichtigen Fragen, die sich im Verlauf der Diskussion gestellt hat, ist: Wie kann man sich vor den unternehmerischen Risiken schützen? Wir arbeiten daran. MIGA ist nun bereit, dafür ein Programm auszuarbeiten. Wir arbeiten mit allen Staaten der G7 und auch mit der Europäischen Kommission daran, Programme zu entwickeln, die die Risiken für die Investitionen und Geschäftstätigkeiten auf ukrainischem Boden reduzieren und abdecken. Wenn der Krieg dann gewonnen ist, werden die Unternehmen in die Ukraine gehen und sagen, dass auch diese Projekte für den Wiederaufbau Geld bringen. Unternehmen sind ja immer daran interessiert, Geld zu verdienen. Deshalb werden wir sie dort hingehen, wo man Geld verdienen kann und entsprechende Entscheidungen fällen. Das ist also sehr, sehr wichtig. Sicherlich wird sich da ein Weg finden lassen.

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