Im Wortlaut
(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung.)
- Mitschrift Pressekonferenz
- Dienstag, 28. Juni 2022
BK Scholz: Meine Damen und Herren, auch von mir ein herzliches Willkommen! Drei intensive und sehr konstruktive Tage liegen nun hinter uns. Der G7-Gipfel von Elmau war ein wichtiger Gipfel in einer ganz besonderen Zeit.
Das Treffen hat noch einmal auf beeindruckende Weise unsere Geschlossenheit und unsere Entschlossenheit gezeigt, der russischen Aggression entgegenzutreten. 125 Tage schon führt Russland Krieg in der Ukraine und gegen die Ukraine. Als G7, als Gruppe der wirtschaftlich starken Demokratien, verurteilen wir diesen erbarmungslosen Krieg. Der gestrige Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in Krementschuk in der Nähe von Kiew mit vielen Toten und Verletzten ist erneut der Beweis, dass Putin seine brutale Aggression gegenüber der Bevölkerung beibehält.
Die G7 stehen, das wissen Sie, eng und unverbrüchlich an der Seite der Ukraine. Wir unterstützen das Land bei seiner Verteidigung und bieten ihm eine Perspektive für die Zukunft an. Hier haben wir auch noch einmal grundsätzlicher diskutiert, was dieser Angriff, der am 24. Februar begonnen hat, eigentlich bedeutet. Ich habe das früher eine Zeitenwende genannt. Nichts ist mehr so, wie es war. Uns allen ist klar, dass es kein Zurück zu der Zeit vor diesem Krieg geben kann und wird. Uns allen ist auch klar: Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit. Sie ist herausfordernd, und darum sind Entschlossenheit und Geschlossenheit eben so wichtig.
Umso wichtiger ist es, dass wir in dieser Welt enge Freunde und Verbündete haben. Die sieben Staaten, die hier zusammengekommen sind, sind solche engen Freunde und Verbündete. Das habe ich auch ganz konkret bei den Treffen gespürt, die hier in Elmau stattgefunden haben, bei unseren Diskussionen, bei unseren Gesprächen, bilateral, zu zweit, und auch bei den ungezwungenen Begegnungen, die es hier immer wieder gab. Elmau war sehr gut für die G7 und die Staaten, die hier miteinander kooperieren, weil wir die Zeit genutzt haben.
Die G7-Partner und die eingeladenen Partnerländer Senegal, Indonesien, Indien, Südafrika und Argentinien haben aus meiner Sicht neue Konsense für gemeinsames Handeln in unserer Welt und für die Zukunft formuliert. Auch das war ganz, ganz wichtig, dass wir nicht nur unter uns geblieben sind, sondern eben diese fünf Staaten und viele internationale Organisationen als Gesprächspartner hatten und dass wir mit ihnen gemeinsam darüber diskutieren konnten, was die Demokratien auf dieser Welt miteinander bewirken können - auf Augenhöhe, denn das ist ja ganz, ganz wichtig. Mit der heutigen Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs und mit den separaten Erklärungen, die wir als G7 mit unseren Partnern in Elmau verabschiedet haben, demonstrieren wir eben die große Kraft demokratischer Bündnisse.
Von diesem Treffen in Elmau gehen drei Botschaften aus.
Erstens. Die G7 steht geeint in ihrer Unterstützung für die Ukraine zusammen. Wir sind uns einig: Präsident Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen. Wir werden die wirtschaftlichen und politischen Kosten dieses Krieges für Präsident Putin und sein Regime weiter hoch halten und in die Höhe treiben. Dafür ist es wichtig, zusammenzustehen, auch auf der langen Strecke, um die es hierbei sicherlich noch gehen wird.
Wir werden auch dem russischen Narrativ entschlossen entgegentreten, dass es sich hierbei eigentlich um einen Konflikt handele, bei dem nur der sogenannte globale Westen diesen Angriff verurteilt und die Welt ansonsten zuschaut, was Russland da eigentlich macht. So ist es nicht. Es hat sich auch aus unseren Diskussionen ergeben: Alle wissen, dass zum Frieden in der Welt die Unantastbarkeit von Grenzen, die Souveränität von Staaten, das Recht von Staaten gehört, über die eigene Zukunft zu entscheiden und nicht vom Nachbarn überfallen zu werden.
Wir haben als G7 auf diesem Gipfel auch viele einzelne Beschlüsse gefasst, die dazu beitragen sollen, diese Hilfe zu organisieren, etwa finanzielle Hilfe als Budgethilfe. 29 Milliarden US-Dollar sind, alles zusammengenommen, mobilisiert worden. Wir werden auch weiterhin humanitäre Unterstützung geben. Das ist auch im Jahr 2022 schon passiert und wird, alles zusammengenommen, 2,8 Milliarden Dollar umfassen. Natürlich gehört für uns alle auch dazu, dass wir die Ukraine mit ihren militärischen Notwendigkeiten unterstützen und Waffen liefern, was alle und viele andere Staaten tun.
Wir haben uns auch schon über den längerfristigen Wiederaufbau unterhalten. Dazu gibt es zusätzliches Geld, das mobilisiert werden soll. Aber das Wichtigste ist, dass wir uns aus der Perspektive der G7, aber auch aus der Perspektive anderer wie der Europäischen Union zusammenfinden wollen, um über die Frage eines Wiederaufbaus zu diskutieren. Wir brauchen einen Marshallplan für die Ukraine. Der muss auch gut geplant und entwickelt werden. Das haben wir uns vorgenommen.
Die zweite Botschaft des Gipfels: Wir gehen gemeinsam gegen den Hunger in der Welt vor, und der ist ja durch den russischen Überfall auf die Ukraine eine noch größere Herausforderung geworden. Das ist Russlands Krieg, der jetzt viele Menschen in dieser Welt fürchten lässt, dass sie sich und ihre Familien nicht mehr ernähren können. Wir haben gegenwärtig 345 Millionen Menschen, von denen wir wissen, dass sie nicht ausreichend zu essen haben. Das sind viermal so viele, wie in Deutschland leben. Die Klimakrise, die Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine haben diese Probleme noch einmal verschärft. Das ist eine existenzielle Bedrohung, ganz besonders in vielen Ländern Afrikas. Wir wollen deshalb auch handeln und haben ein globales Bündnis für Ernährungssicherheit geschmiedet. Es gibt jetzt finanzielle Zusagen in Höhe von 4,5 Milliarden US-Dollar. Auch Deutschland beteiligt sich daran substanziell. Es geht eben um ganz konkrete Schritte. Dazu zählt auch, dass wir uns zusammen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen darum bemühen, das Getreide und die Düngemittel, die in der Ukraine nutzbar lagern, auch tatsächlich der Welt verfügbar zu machen.
Klar ist: Dieser Krieg hat auch gezeigt, wie sehr wir von Energieimporten abhängig sind, in diesem Fall ganz besonders von solchen aus Russland. Darum ist es wichtig, dass wir diese Abhängigkeiten reduzieren. Wir werden deshalb ‑ auch das haben wir miteinander beschlossen ‑ den Weg zum Ausbau der erneuerbaren Energien weiter mit großer Intensität vorantreiben. Deshalb bleibt es auch bei den Beschlüssen, die wir gefasst haben, was die Finanzierung fossiler Energieträger betrifft. Die soll zu Ende gehen. Aber wir werden jetzt natürlich in dieser ganz konkreten Situation vielen Ländern helfen, wenn sie Investitionen für ihre Energieversorgung tätigen wollen, die zum Beispiel „Wasserstoff-ready“ sind, und diese Möglichkeiten jetzt nutzen, soweit es sich im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens befindet.
Steigende Energiepreise gefährden die Sicherheit und Stabilität in vielen Ländern. Das wissen wir, und das ist auch etwas, das wir bei der Diskussion über die Lage der Weltwirtschaft sehr sorgfältig erörtert haben. Dazu kommt die große Gefahr der Preissteigerung, der Inflation, die gegenwärtig in vielen Ländern generell zu beobachten ist und von vielen Bürgerinnen und Bürgern mit Sorge betrachtet wird. Es war deshalb gut, dass wir uns auch mit diesen Fragen auseinandergesetzt haben. Das gilt für uns selbst, aber es gilt natürlich auch für die Situation in den Schwellen- und Entwicklungsländern, die noch mehr von dieser Situation herausgefordert sind und weniger Möglichkeiten haben, mit solchen großen Herausforderungen umzugehen. Preissteigerung und Inflation können wirtschaftliche Stabilität und das Vertrauen in Politik untergraben, und deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam handeln.
Die dritte Botschaft des G7-Gipfels: Wir werden die langfristigen Aufgaben nicht aus dem Blick verlieren. Wir wollen einen Fortschritt für eine gerechte Welt und dieser globalen Verantwortung auch gerecht werden. Das gilt zum Beispiel für den Klimaschutz. Wir haben uns deshalb hier über die Frage eines Klimaclubs unterhalten, den ich schon lange vorgeschlagen habe. Ich freue mich deshalb, dass wir uns hier in Elmau darauf verständigt haben, einen solchen Klimaclub nun bis Ende dieses Jahres zu gründen. Wir haben das Fundament dafür gelegt, die tragenden Säulen definiert und die nächsten Schritte vereinbart. Wir sind uns nämlich einig: Wir brauchen mehr Ehrgeiz, mehr Ambitionen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Mit dem Klimaclub tragen wir dazu bei, dass wir diese Verpflichtung auch einhalten können. Wir wollen dabei auch erreichen, dass wir, wenn wir unsere nationalen Strategien entwickeln, um CO2-neutral Industrien zu etablieren und sie durchzusetzen, dann nicht gegeneinander arbeiten und uns voneinander abschotten, sondern dass wir zusammenarbeiten. Genau das ist das, was ein solcher offener Klimaclub ermöglichen soll. Er soll erreichen, dass wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten und dass der Klimaschutz Wertvorteil wird und kein Nachteil ist.
Das gilt natürlich ganz besonders für die Energiewende, die wir nur hinbekommen können, wenn auch die Schwellen- und Entwicklungsländer dabei sein können. Deshalb wollen wir auch die Grundlage dafür legen, dass diese Länder das auch tatsächlich sein können. Wir haben eine Energiewendepartnerschaft mit Südafrika entwickelt und haben jetzt für unseren Beitrag in Höhe von 700 Millionen Euro schon einen KfW-Förderkredit in Höhe von 300 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Der südafrikanische Präsident hat sich sehr über diese Konkretisierung unserer gemeinsamen Vereinbarung gefreut. Wir werden auch weitere solcher Partnerschaften starten. Mit Indien, Indonesien, Senegal und Vietnam sind die nächsten geplant. Es geht eben darum, dass wir zusammenarbeiten.
Noch einmal: Was uns vereint, ist das, was unsere gemeinsamen Werte ausmacht, Demokratie, Menschenrechte, Frieden und Freiheit. Das verbindet uns eben miteinander, aber auch mit den Partnerländern, mit denen wir hier gesprochen haben und die ich hierhin eingeladen habe, wie schon erwähnt Senegal, Indonesien, Südafrika, Argentinien und Indien. Es sind demokratische Stimmen des globalen Südens, und sie sind die richtigen Partner, mit denen wir hier miteinander über die Probleme unserer gemeinsamen Welt gesprochen haben.
Wir werden eben auch nur zusammen hinbekommen, was wir uns vorgenommen haben, einen Fortschritt für eine gerechte Welt. Deshalb bleibt es dabei, dass wir uns auch auf solche Weise unterhalten müssen, wie das hier in Elmau der Fall gewesen ist. Ich glaube, dass diese Gipfeltreffen unverändert von allergrößter Bedeutung sind. Man hat nicht viel von Treffen, bei denen sich Politiker begegnen ‑ in den letzten Jahren ja auch noch oft im Videostream ‑ und dann Statements ablesen. Es muss schon direkte Gespräche geben und möglich sein, dass man aufeinander eingeht, dass man bilateral einmal etwas weiter erörtert, dass man Gesprächsfäden, die man geknüpft hat, einen halben Tag oder einen Tag später wieder aufgreifen kann. Das ist hier gelungen. Insofern hat es sich wirklich ausgezahlt, dass wir hier miteinander geredet haben. Es ist Großes entstanden, und das wird uns für die nächste Zeit sehr helfen.
Bedanken möchte ich mich bei den Beschäftigten auf Schloss Elmau, die mit ihrer Gastfreundschaft unglaublich zu dem Erfolg dieses Gipfeltreffens beigetragen haben. Es war sehr, sehr gut und sehr schön, das zu erleben.
Mein Dank gilt den Polizisten und Sicherheitskräften, die hier gearbeitet haben und die Tag und Nacht dafür gesorgt haben, dass die Sicherheit auch gewährleistet ist, der Bundespolizei, der bayerischen Polizei, der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk und vielen, vielen anderen.
Natürlich bedanke ich mich auch bei den Bürgerinnen und Bürgern in Krün und Garmisch-Partenkirchen. So ein Treffen ist für die Bürgerinnen und Bürger dieser Orte eben auch mit Belastungen verbunden gewesen. Deshalb Danke für das Verständnis, für die Unterstützung und sicherlich an der einen oder anderen Stelle auch für die Langmut. Ich bedanke mich ganz sicher auch im Namen aller Delegationen, die hier gewesen sind. Sie waren gerne hier zu Gast.
Die deutsche G7-Präsidentschaft ‑ das ist mir wichtig ‑ ist noch nicht zu Ende. Sie geht noch das ganze Jahr. Da dies, wie ich eingangs gesagt habe, ein ganz besonderes Jahr ist, wird es sicherlich so sein, dass wir auch noch viel miteinander zu reden und zu handeln haben werden. Das wird jetzt aber viel besser funktionieren, weil wir unsere Zeit hier so gut genutzt haben.
Es ist auch ein Signal der Klarheit und Stärke. Ein solches Signal der Klarheit und Stärke ist gerade auch im Vorfeld des NATO-Gipfels in Madrid wichtig, zu dem ich heute noch aufbrechen werde und auf dem es auch darum gehen wird, dass in diesem Fall die transatlantische Partnerschaft zeigt, wozu wir in der Lage sind und dass wir die Verteidigung unserer Länder und unserer Demokratien gemeinsam organisieren können.
Frage: Herr Bundeskanzler, in den letzten Tagen war auffällig, dass die wichtigen Ergebnisse dieses Gipfels von amerikanischer Seite kommuniziert worden sind. Warum haben Sie sich selbst dabei so viel Zurückhaltung auferlegt und den Amerikanern den Vortritt gelassen?
Wie würden Sie Ihre Rolle in den Beratungen selbst beschreiben? Sind Sie dort eher als Moderator aufgetreten, oder sind Sie mit dem Anspruch hineingegangen, eine Führungsrolle einzunehmen und voranzumarschieren?
BK Scholz: Danke für die sehr netten Fragen. Zunächst einmal habe ich das Gefühl, dass wir hier gemeinsame Ergebnisse erzielt und sie auch gemeinsam kommuniziert haben. Ich teile also Ihre Einschätzung nicht.
Ansonsten war das hier wirklich eine sehr gute Diskussion, die stringent geblieben ist, mit Ergebnissen, die wir vorbereitet und sorgfältig miteinander erarbeitet haben. Ich bin sehr froh, dass ich einen wichtigen Beitrag dazu leisten konnte. Denn G7-Präsidentschaften beschränken sich nicht auf die Sitzungsleitung, sondern dabei geht es um viel, viel mehr.
Frage: Herr Scholz, ich möchte zur Ukraine fragen. Haben Sie hier bei G7 irgendwelchen neuen Ideen entwickelt, wie man diesen Krieg eindämmen kann?
Haben Sie auch über „price caps“ gesprochen? Wie wird die Entwicklung diesbezüglich sein?
BK Scholz: Die Ukraine ‑ ich habe eben schon darüber gesprochen ‑ hat eine große Zeit unserer Beratungen beansprucht, richtigerweise. Denn dieser Krieg ist eine enorme Herausforderung für die Friedensordnung in Europa und in der Welt. Das ist uns wichtig zu sagen. Das ist nicht nur ein Krieg in Europa. Mit dem Bruch der Regeln, die wir in den letzten Jahren miteinander gefunden haben, ist eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der ganzen Welt verbunden.
Deshalb haben wir viele Dinge miteinander noch einmal verstärkt und uns untergehakt, wenn es um die finanzielle Unterstützung geht, wenn es um humanitäre Unterstützung geht, wenn es um die Frage der Sanktionspolitiken geht, die wir miteinander haben, aber natürlich auch, wenn es darum geht, Waffenlieferungen zu ermöglichen, mit denen die Ukraine in die Lage versetzt wird, sich zu verteidigen.
Die Diskussionen waren im Einzelnen sehr konkret und haben natürlich auch dazu beigetragen, dass wir alle noch einmal sicher sagen können: Wir handeln nicht nur gemeinsam, sondern auch auf die gleiche Art und Weise, und es passt zusammen, was wir miteinander machen. ‑ Das ist, denke ich, auch das, was uns die Kraft für die Zukunft gibt.
Gegenwärtig muss man konstatieren, dass Putin seinen brutalen Krieg fortsetzt. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir hier auch noch einmal bekundet haben, dass unsere Hilfe weiterhin groß sein wird, dass wir sie auch weiter steigern werden und dass wir sie so lange fortsetzen werden, wie es notwendig ist.
Frage: Herr Scholz, Sie haben die große Einmütigkeit in Fragen Russlands und der Ukraine mit den Ländern des globalen Südens betont. Was die Sanktionspolitik und das Unterlaufen von Sanktionen betrifft, gibt es doch große Differenzen. Haben Sie das Gefühl, dass Sie für Ihre Position, für die Position der G7, mehr Verständnis gewonnen haben und dass sich da auch etwas bewegen könnte?
BK Scholz: Wir haben die Fragen natürlich diskutiert und sehr klar formuliert, dass es der russische Angriffskrieg ist, der die dramatischen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat, die wir heute schon sehen. Ich habe über den Hunger gesprochen. Das ist ein großes Problem. Ich habe über steigende Preise gerade auch für Energie gesprochen. Das ist ein großes Problem. Deshalb haben wir unseren Gesprächspartnern sehr genau versichert, dass wir uns solidarisch unterhaken werden, dass wir dabei helfen werden, mit dieser Herausforderung umzugehen, und dass der beste Weg, um diese Herausforderung zu lösen, natürlich der wäre, dass Russland seinen Angriffskrieg beendet und seine Truppen wieder zurückzieht. Das war ein Thema, über das wir diskutiert haben.
Klar ist, dass in den Ländern des globalen Südens unterschiedliche Ansichten darüber existieren. Das kann man schon am Abstimmungsverhalten verschiedener Länder auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen sehen. Aber das ist schon mein sicherer Eindruck: Niemand hat Zweifel daran, was die Ursache für diesen Konflikt ist, niemand, mit dem wir hier gesprochen haben. Es ist ein russischer Angriff auf einen Nachbarn, der diesen Angriff nicht provoziert hat und der das Opfer einer Aggression ist.
Frage: Kanzler Scholz, haben Sie untereinander diskutiert, welche Sicherheitsgarantien die Ukraine von G7-Ländern erwarten kann?
Der russische Außenminister Lawrow hat angekündigt, dass er zur G20 nach Indonesien reisen wird. Wird Deutschland, wird die G7 dann auch da sein?
BK Scholz: Es ist klar, dass wir erreichen wollen, dass die Ukraine ihre Unabhängigkeit und Souveränität verteidigen und dass sie ihre Zukunft als Demokratie sichern kann. Dazu wird auch gehören, dass die Ukraine immer in der Lage sein muss, eine eigene, starke Landesverteidigung zu haben. Natürlich gehören dazu dann auch vereinbarte Garantien vieler anderer dafür, dass das gut funktioniert. Über diese sind wir schon seit Langem mit der Ukraine, aber auch untereinander im Gespräch. Das haben wir hier natürlich noch einmal vertieft. Aber das kann noch lange nicht so konkretisiert sein, dass man darüber heute sinnvollerweise sprechen sollte.
Trotzdem ist der Rahmen immer klar. Wir wollen das möglich machen, was wir bieten können und was dabei helfen kann, dass es eine sichere Zukunft gibt. Aber jetzt ist natürlich die nächste Aufgabe, erst einmal dafür zu sorgen, dass dieser Krieg ein Ende findet und Russland seine Truppen wieder zurückzieht, dass die Ukraine in genau diese Lage erst kommt.
Was G20 betrifft, bestand hier in allen Gesprächen große Einigkeit darüber, dass wir die G20 nicht auseinandertreiben wollen. Deshalb würde von heute aus gesehen die Entscheidung der Staaten, die hier versammelt waren, lauten, dass sie sich dorthin begeben. Es geht natürlich darum, dass wir gut miteinander diskutieren. Auch dazu waren die Gespräche mit den Partnern, die wir eingeladen hatten, sehr, sehr wichtig. Jetzt hat Indonesien die G20-Präsidentschaft inne. Nächstes Jahr wird es Indien sein. Das sind zwei große, wichtige Freunde und Nationen, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Deshalb ist es uns auch wichtig, dass wir der Sache einen guten Drive geben, wenn ich das so formulieren darf. Darum werden wir uns dann kümmern.
Frage: Herr Bundeskanzler, ich möchte zu China fragen, das in der Abschlusserklärung ein bisschen ambivalent auftaucht und als Gefahr und schon auch als Partner beschrieben wird. Was genau erwarten Sie von China? Wie groß ist Ihre Befürchtung, dass China westliche Sanktionen gegen Russland unterlaufen könnte? Ist das eine reelle Sorge? Was genau erwarten Sie von Peking?
BK Scholz: Zunächst einmal erwarten wir, dass die Sanktionen, die wir miteinander und mit vielen anderen zusammen gegen Russland ins Werk gesetzt haben, nicht unterlaufen werden. Darauf bestehen wir in allen Gesprächen, die wir führen. Wir haben einander hier noch einmal versichert, dass wir das gemeinsam auch weiterhin tun werden.
Ansonsten haben wir die verschiedenen Ambivalenzen beschrieben, die mit der Zusammenarbeit mit China verbunden sind, und gleichzeitig natürlich auch großen Nachdruck darauf gelegt, dass wir das tun, worauf es für die Zukunft in großem Umfang ankommen wird, nämlich sehr gute Beziehungen wirtschaftlicher und politischer Art zu den vielen anderen Ländern des wiederaufgestiegenen Asiens zu entwickeln. Das wird auch dazu beitragen, dass die Balance der politischen Handlungsmöglichkeiten so ist, wie wir es für eine gute Entwicklung der Weltwirtschaft, aber auch der Welt brauchen.
Im Übrigen hat China gegenwärtig ganz erkennbar mit den Folgen der eigenen COVID-19-Strategie zu kämpfen, was ja auch Konsequenzen für den Welthandel hat.
Frage: In der Abschlusserklärung wird auf die Investitionen in den Gassektor Bezug genommen und gesagt, dass sie unter diesen besonderen Umständen sinnvoll sein könnten. Ist das in irgendeiner Form limitiert worden? Gibt es ein zeitliches Ende dafür, oder wird das einfach offen sein?
BK Scholz: Wir alle sind uns darüber einig, wo die Zukunft liegt, nämlich nicht beim Gas. Das gilt für Deutschland ganz besonders. Wir wollen 2045 CO2-neutral wirtschaften. Das hat Konsequenzen für die Frage der Nutzung fossiler Ressourcen, ob es nun Kohle, Öl oder Gas ist. Übergangsweise ‑ das gilt für die Politiken aller unserer Länder, die wir hier versammelt waren ‑ wird Gas benötigt. Deshalb kann es Investitionen geben, die in dieser Übergangsphase Sinn machen und die dann unterstützt werden müssen. Das ist dann richtig eingebettet in die Frage, wo das hinführen soll, zum Beispiel mit den Perspektiven in Richtung von Wasserstoff, die dabei mitgedacht werden können, oder zum Beispiel im Hinblick auf die Fragen, die sich dann für die zeitliche Nutzung solcher jeweiliger Ressourcen ergeben können. Das wird dann also in der Realisierung praktisch relevant. Aber dass es jetzt eine Zeit gibt, in der das auch noch vorkommt, eingebettet in die Pariser Klimaziele und in das 1,5-Grad-Ziel, ist sehr wohl möglich.
Frage: Herr Bundeskanzler, das Thema von „price caps“ wurde bereits angesprochen. Es gibt eine vorsichtige Formulierung zum Öl und eine noch viel vorsichtigere Formulierung zum Gas. Sie hatten schon vergangenen Freitag in Brüssel ein bisschen Skepsis geäußert. Sind Sie jetzt optimistischer, dass das umgesetzt werden kann, eventuell auch für Gas?
Zum NATO-Gipfel in Madrid: Es gibt die Ankündigung, die „rapid force“ auf 300 000 Soldaten aufzustocken. Haben Sie schon irgendwelche Vorschläge dafür, wie sich Deutschland daran beteiligen könnte?
BK Scholz: Was Ihre letzte Frage betrifft, werden wir das, was die NATO gemeinsam festlegt, dann auch mit unserem angemessenem deutschen Beitrag unterstützen können. Solche Entscheidungen sollten ja nur dann möglich sein, wenn man sich vorher überlegt hat, ob man auch mitmachen kann. Was wir jedenfalls im Blick haben, ist, dass wir mit Blick auf das, was an Beschlüssen am Ende herauskommen wird ‑ ich will hier dem Gipfel nicht vorgreifen ‑, den Teil, den Deutschland zu leisten hat, auch zustande bringen wollen.
Was die Frage der möglichen Durchsetzung von Preisobergrenzen bei Ölexporten betrifft, ist das ein sehr ambitioniertes und sehr voraussetzungsvolles Vorhaben, wie man dem Text und auch Ihrer Frage entnehmen kann. Deshalb wird damit noch viel Arbeit verbunden sein. Um die andere Frage auch noch zu beantworten: Das ist das, was wir als Nächstes tun.
Frage: Herr Bundeskanzler, die G7 hat sich ausdrücklich zu den Sicherheitsgarantien für die Ukraine auch nach dem Krieg bekannt. Können Sie konkretisieren, welche Sicherheitsgarantien das sind?
BK Scholz: Ja, das könnte ich. – Das war’s.
Frage: Herr Bundeskanzler, wir haben in der letzten Woche eine aggressive Äußerung der BRICS-Staaten gehört. Sie haben gesagt, sie sind eigentlich der Klub der Zukunft. Vertreter aus Indien, Südafrika waren hier. Wie weit sind diese denn einzubinden, damit nicht neue Fronten aufseiten der Wirtschaftspolitik auftauchen?
BK Scholz: Zunächst einmal hat das Bündnis, das sich BRICS nennt, ja nun schon seit vielen Jahren miteinander geredet und getagt. Ich glaube, dass das ein Teil des Weltszenarios ist, in dem wir uns bewegen. Ich glaube, es gibt keinen Anlass zu besonderen Emotionen oder so etwas, sondern das ist einfach so. Ich glaube, es macht Sinn, gut miteinander zu sprechen, natürlich ganz besonders mit den Ländern, die uns heute begleitet und die wir eingeladen haben.
Ich will es noch einmal sagen: Mein fester Eindruck ist, dass es sowohl auf meiner Seite als auch auf der Seite der anderen Staaten der G7 und der eingeladenen Partnerländer schon das Gefühl gab, dass hier miteinander auf Augenhöhe und mit dem Willen gesprochen worden ist, miteinander in der Welt der Zukunft zu kooperieren. Ich versuche immer, allen den Blick dafür zu öffnen, dass wir nicht nur auf die Welt schauen, wie sie jetzt ist, sondern vielleicht auch auf die Welt des Jahres 2050. Da ist es doch offensichtlich, dass die relative Bedeutung der eingeladenen Länder erheblich zunehmen wird. Das kann ein wichtiger Beitrag für eine gute Entwicklung der Welt sein, aber natürlich nur, wenn man schon immer miteinander einen guten Austausch hatte. Denn was ja noch kein großer Gewinn ist, ist eine Welt, die multipolar ist, in der es viele Staaten gibt, die Einfluss haben und gewichtig sind, sondern ein Gewinn wäre eine Welt, die zusammenarbeitet, also das, was man multilateral nennt. Das halte ich gerade mit den Staaten, mit denen wir hier gesprochen haben, für sehr, sehr gut möglich. Das hat sich auch in jeder Phase der Gespräche bestätigt.
Frage: Herr Bundeskanzler, die Regierungsgeschäfte in Berlin laufen ja weiter, während Sie hier auf so einem Gipfel sind.
BK Scholz: Auch von mir aus.
Zusatzfrage: Auch von Ihnen aus; danach wollte ich fragen. Es gibt Streit in der Koalition, wie man sich heute in Brüssel in Bezug auf die Frage des Aus für den Verbrennungsmotor verhält. Vielleicht können Sie uns aufklären, wie sich die Bundesregierung in der Abstimmung dort verhalten wird.
BK Scholz: Maßstab für uns ist der Koalitionsvertrag, in dem wir genau beschrieben haben, was wir tun wollen. Dazu gehören verschiedene Aspekte im Hinblick auf die emissionsfreien Antriebe, die im Mittelpunkt der Dinge stehen. Wir haben bei uns schon festgelegt, dass wir es möglich machen wollen, dass nach 2035 auch Pkw mit CO2-Technologien, mit E-Fuels zugelassen werden können. Das haben wir als Regierung gemeinsam mit den europäischen Institutionen – mit der Kommission und dem Rat – immer so vorgetragen. Jetzt werden noch viele, viele Vorschläge entwickelt, auch von der Kommission, von der Ratspräsidentschaft. Da geht es noch viel hin und her, und deshalb machen Zwischenstände gerade keinen Sinn. Aber wir sind eigentlich einig, geschlossen zu handeln.
Frage: Herr Bundeskanzler, Sie haben den Klimaclub angesprochen. Wie konkret wollen Sie denn bis Ende des Jahres werden? Haben Sie in den Gesprächen hier schon über die Eintrittskarten in den Club gesprochen?
Noch eine Frage zum Thema Getreide in der Ukraine: Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie wirklich erreichen, dass es schnell das Land verlassen kann? – Danke.
BK Scholz: Was die Frage des Klimaclubs betrifft, geht es darum, dass das eine Arbeitsstruktur wird, also nicht ein Konzept, das man abstrakt betrachten kann, sondern dass es sich konkret in Dingen niederschlägt, die miteinander beredet werden. Aber klar ist, dass das immer offen und inklusiv sein muss. Deshalb gefällt mir Ihr Bild von der Eintrittskarte gar nicht, sondern es geht darum, dass wir unterschiedliche Wege zu gleichermaßen ehrgeizigen Zielen miteinander zusammenführbar machen.
Man muss sich ja nur einmal in der Welt umschauen. Es gibt zum Beispiel ganz unterschiedliche Perspektiven, was die Energieproduktion der Zukunft angeht. In Bezug auf CO2-Neutralität besteht Einigkeit, aber dann gibt es schon wieder verschiedene Fragen. Es gibt über wirtschaftspolitische Maßnahmen wie die Bepreisung unterschiedliche Ansichten. Trotzdem kann und muss es bei dem Club, der sich ja nicht nur auf die G7 beschränken soll, sondern viele andere mit einschließen soll, darum gehen, dass wir diese unterschiedlichen Politiken zusammenführen, damit wir tatsächlich Mitte dieses Jahrhunderts CO2-neutral wirtschaften und unserem Planeten und uns auch damit eine bessere Zukunft verschaffen. Das ist die Aufgabe, und das ist jetzt sehr konkret geworden. Deshalb ist das jetzt praktisch etwas, das sich mit diesen sehr fassbaren Fragen über lange Zeit immer wieder auseinandersetzen wird. Darüber bin ich sehr glücklich.
Frage: Sie haben gesagt, dass der Wiederaufbau in der Ukraine hier bei den Beratungen in Elmau auch ein Thema war. Welche zusätzlichen konkreten Hilfsgelder wurden heute zusätzlich zu dem präsentiert, was im April und Mai eigentlich schon angekündigt worden ist?
Daran anknüpfend noch eine Frage zu Ihrem Vorschlag, bis Ende des Jahres eine große Konferenz abzuhalten, bei der es um diesen Marshallplan zum Aufbau der Ukraine gehen soll. Können Sie Ihre Vorstellung etwas näher erläutern und vielleicht etwas zu dem Zeitpunkt sagen, wann das stattfinden soll? – Danke.
BK Scholz: Was die zweite Frage betrifft, möchte ich eine gemeinsame Konferenz abhalten ‑ Frau von der Leyen und ich haben uns vorgenommen, sie gemeinsam vorzubereiten ‑, in deren Rahmen wir mit vielen anderen, die wir einladen, darüber sprechen, wie wir eigentlich ein so großes, ehrgeiziges Vorhaben bewältigen können, wie wir ein Land wieder aufbauen, das militärisch so zerstört worden ist, wie das gegenwärtig durch den russischen Angriffskrieg geschieht, in dem Häuser zerstört sind, Gemeinschaftseinrichtungen, Fabriken, Infrastrukturen zerstört sind und in dem sich natürlich jetzt schon unglaubliche wirtschaftliche Verwerfungen aus diesem Krieg ergeben, was in Zukunft noch stärker der Fall sein wird.
Deshalb ist das Bild vom Marshallplan nicht zu hoch gegriffen, sondern eigentlich brauchen wir noch etwas, das diese Dimension klarmacht. Es wird auch nicht um eine Anstrengung von wenigen Jahren gehen, sondern um viele Jahre und, was die finanziellen Konsequenzen betrifft, noch viel länger. Das muss die Weltgemeinschaft gemeinsam tun. Deshalb ist das etwas, für das ich seit langem werbe.
Dafür habe ich hier – und in anderen Zusammenkünften auch ‑ die Unterstützung bekommen, dass wir, bevor wir überall hingehen und jeder eine Pressekonferenz abhält, was er als kleinen Beitrag leisten will, einmal die Gesamtkonzeption mit Experten der OECD, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds, der Zentralbanken, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, mit all den Leuten, die sich darüber Gedanken machen, entwickeln, aber auch in Forschungseinrichtungen, die ja schon teilweise Konzepte geschrieben haben. Das muss alles zusammenkommen, damit nicht ein großes Durcheinander entsteht, sondern es muss ein in sich geschlossenes Konzept entwickeln werden, das diese gigantische Aufgabe für ein so großes Land mit 46 Millionen Einwohnern überhaupt bewältigbar macht. Das ist das, worum es mir dabei geht. Ich bin sehr froh, dass alle sagen: Ja, genau! Das brauchen wir. ‑ Denn sonst verzettelt sich alles, was an Aktivitäten unternommen wird.
Was die Zettel betrifft, vielleicht hier noch den kleinen Hinweis: Wir haben in diesem Jahr mehr als 29 Milliarden US-Dollar finanzielle Budgethilfe mobilisiert. Wir haben 2022 als G7 an humanitärer Unterstützung 2,8 Milliarden US-Dollar mobilisiert. Über den militärischen Bedarf und seine Kosten müssen wir, glaube ich, nicht sprechen. Das wird sich ziemlich auswachsen. Dann geht es natürlich ganz konkret darum, dass wir auch die Wiederaufbaukosten mitfinanzieren. Dafür hat Deutschland gerade wieder einen Beitrag von knapp einer halbe Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Sie sehen also, dass das alles zusammen schon ordentlich viel Kraft gibt, die aber auch notwendig ist. Denn die Ukraine ist in einer ganz bedrohlichen Situation, auch was die wirtschaftlichen Konsequenzen des Krieges betrifft. Deshalb ist es notwendig, dass wir das alles tun.
Zurück zum Thema Wiederaufbau. Ich glaube, diesbezüglich müssen wir wirklich einmal eine große Strategie entwickeln, die auch in sich geschlossen ist und die über viele Jahrzehnte funktioniert.
Frage: Eine Frage zu den 4,5 Milliarden US-Dollar, die zusammengekommen sind, um die Ernährungskrise zu beenden. Das ist ja im Vergleich zu dem, was zum Beispiel das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen an zusätzlichem Finanzierungsbedarf angemeldet hat, eine geringe Summe. Das sind 28 Milliarden US-Dollar. Warum ist nicht mehr zusammengekommen? Halten Sie diese Summe trotzdem für zufriedenstellend?
BK Scholz: Es ist erst einmal eine ganz ordentliche Menge Geld, die hier eingesetzt werden wird. Wir sind nicht die Einzigen, die da etwas machen. Wir wissen aber um unsere großen Herausforderungen, auch angesichts der Wirtschaftskraft der hier versammelten Länder. Sie können ganz sicher davon ausgehen, dass wir nicht aufhören werden, das Notwendige zu tun. Dass wir das aber hier vermelden können, ist schon ein ganz großer wichtiger Baustein für die gesamte Aufgabe.
Frage: Herr Bundeskanzler, Präsident Selensky will unbedingt ein Ende des Krieges vor dem Winter. Dafür wird es zu gegebener Zeit auch Verhandlungen mit Moskau brauchen. Hatten Sie hier in den Gesprächen mit ihm, aber auch mit Ihren Kollegen im Rahmen der G7 Gelegenheit, zu überlegen, ob es nicht an der Zeit ist, den Weg zu Gesprächen mit Russland zu ebnen? Anders gefragt: Braucht es neben der finanziellen, der wirtschaftlichen und der humanitären Unterstützung für die Ukraine nicht auch eine neue diplomatische Offensive mit Blick auf den Versuch, diesen Krieg zu beenden?
Wenn Sie sagen, es kann kein Zurück zu der Zeit vor dem Krieg geben, heißt das, dass selbst dann, wenn die Ukraine einen Frieden akzeptiert, also Friedensverhandlungen zum Ende kommen und die Ukraine das akzeptiert, an gewissen Sanktionen festgehalten werden müsste? ‑ Danke.
BK Scholz: Gegenwärtig ist ja doch leider zu beobachten, dass Russland mit unveränderter Brutalität den Krieg fortführt. Wir sind also nicht in einer Situation, in der man das Ende absehen kann. Das ist sehr, sehr bedrückend, weil jeder Tag, der zu den vielen Tagen dieses Krieges hinzukommt, ein Tag ist, an dem Menschen sterben ‑ Kinder, Familien, Junge und Alte ‑, an dem unglaublich viel zerstört wird. Darum ist es so wichtig, dass wir den Druck aufrechterhalten und auch die Unterstützung fortsetzen, damit ein Ende überhaupt möglich wird und Russland einsieht, dass es keinen Diktatfrieden durchsetzen kann.
Dass am Ende irgendwann eine Vereinbarung steht, die die beiden Präsidenten unterzeichnet haben, hat Präsident Selensky schon einmal öffentlich so formuliert. Das haben Sie, glaube ich, auch alle berichtet. Ich glaube, das ist eine nur zu kluge Einsicht. Aber gegenwärtig ist das eben noch nicht der Fall. Ich glaube, wir müssen jetzt erst einmal bei allen Gesprächen, die wir führen, auch solchen, die mit Moskau geführt werden, immer klar machen: Jetzt muss dieser Krieg einmal zum Ende kommen. Hör auf damit. Das wird nichts werden. Und bedenke, dass ohne eine faire Vereinbarung mit der Ukraine auch alle Sanktionen immer weiter da sein werden.
Es ist, glaube ich, nicht allen klar geworden ‑ ich will es hier gerne noch einmal wiederholen ‑: Alle Sanktionen, die wir wegen der Annexion der Krim verhängt haben, sind noch da. Alle Sanktionen, die wir wegen des angezettelten Aufstandes im Osten des Donbass verhängt haben, sind noch da. Das Gleiche gilt auch für alle Entscheidungen, die wir jetzt im Hinblick auf die neueren Sanktionen getroffen haben, die viel umfassender sind. Es wird also nur einen Ausweg geben, wenn Putin akzeptiert, dass sein Vorhaben nicht gelingt. Das ist das, worum es jetzt geht. Das ist auch das, was zunächst ansteht.